Vom Rechtswirrwarr zur Problembewältigung

Natürliche Gegebenheiten bringen weltweit große Unterschiede in den Lebensbedingungen mit sich: die Eigenarten der Landschaft (Flachland, Gebirge, Zugang zu Trinkwasser, Flüssen und Seewegen), das Klima und die Vegetation, die verfügbaren und anbaubaren Pflanzen als Nahrungsmittel, die erreichbaren Bodenschätze usw. Diese Unterschiede werden vielfach als „ungerecht“ empfunden, da sie den Menschen das Leben erleichtern oder erschweren können. Zudem unterscheiden sich Menschen in ihren individuellen Stärken und Schwächen, ihren Fähigkeiten und Begabungen, ihrer Anstrengungsbereitschaft, Attraktivität etc. enorm voneinander. Damit gelingt ihnen die selbständige Bewältigung ihrer Lebensaufgaben keineswegs in gleicher Weise. Auffällig ist das etwa, wenn man Kinder mit Senioren vergleicht, Männer mit Frauen oder Verletzte mit Geheilten. Folglich unterscheiden sich auch die persönlichen Vorgehensweisen und Zielsetzungen untereinander. Zusätzlich verändern sich diese entsprechend der jeweiligen momentanen Lebenssituation.

1. Angesichts natürlicher Unterschiede sehnen sich Menschen nach Gerechtigkeit
Um hier für „Gerechtigkeit“ zu sorgen, wurden Verhaltensregeln erfunden, auch in Form von Geboten und Verboten, die den Menschen helfen sollten, die vorhandenen Probleme in den Griff zu bekommen, ihr Überleben abzusichern und Zufriedenheit zu erreichen. So entstanden weltweit sehr unterschiedliche Rechtsordnungen, Weltanschauungen und Religionen – in starker Abhängigkeit von den jeweiligen regionalen Umweltbedingungen. Außerdem kam es zu Kämpfen und Kriegen, wenn Menschen meinten, nur mit diesen Mitteln erhalten zu können, was sie brauchten und sich wünschten.

Da sich hier oft die Schnelleren, Geschickteren, Stärkeren, Intelligenteren auf Kosten und zum Schaden der Anderen durchsetzten, kam es zu dem Gebot, dass Schädigungen möglichst zu vermeiden, also gering zu halten seien. Damit entstand die Verantwortungsethik: die Aufforderung, nicht nach Lust und Laune blind drauflos zu handeln, sondern die möglichen Auswirkungen (Folgen) des eigenen Handelns rechtzeitig bewusst zu klären und zu berücksichtigen. Daraus entwickelten sich Erziehungs- und Bildungsmaßnahmen, die dazu befähigen sollen, in flexibler Weise zu erkennen und zu tun, was unter wechselnden Bedingungen und Zielsetzungen wünschenswert und zu vermeiden, zu unterlassen ist.

Wenn sich Menschen aus unterschiedlichen Kulturen begegnen, mit unterschiedlichen Gewohnheiten, Prägungen und Überzeugungen zum „Richtigen“ und „Falschen“, so kann es sowohl zu interessantem Lernen voneinander kommen, zur Erweiterung des eigenen Bewusstseinshorizontes, zu Fortschritten im Sinne von kultureller Höherentwicklung (Hochkultur) als auch zu Missverständnissen, Streitigkeiten, Tendenzen zu gegenseitiger Vernichtung, zu Dekadenz und Untergang.

Letzteres ist bei Rechthaberei wahrscheinlich: wenn das Bestreben stark ist, andere zu dem zu drängen oder gar zu zwingen, was man selbst für richtig und geboten hält. Die Tendenz dazu scheint im Laufe des vergangenen Jahrhunderts drastisch stärker geworden zu sein. Denn die interkulturellen Kontaktgelegenheiten haben enorm zugenommen, zugleich auch der äußere Druck, schnellstens miteinander zurecht kommen zu sollen, ohne sich hinreichend aufeinander einstellen, die Eigenarten anderer, zunächst fremder Menschen, angemessen einschätzen zu können. Zudem steht eine Vielfalt an Rechtsordnungen zur Verfügung, die es jedem Menschen ermöglicht, sich selbst im Recht und andere im Unrecht zu sehen und darzustellen. Wo Rechtssicherheit fehlt, wird der Ausgang juristischer Auseinandersetzungen zu einem Glücks-Lotterie-Spiel.

Seit 1990 verbreitet sich weltweit die Tendenz, ehemalige nationalstaatliche und verfassungsrechtliche Regelungen zunehmend außer Acht zu lassen und rechtliche Regelungen anhand von Vertragsformulierungen privatwirtschaftlicher Art vorzunehmen. Dabei entsteht vielfach der Eindruck, dass seit Jahrhunderten als unhintergehbar betonte Prinzipien wie der Eigenwert des Menschen, seine Würde, seine Autonomie-, Freiheits- und Gleichheitsrechte sowie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nicht mehr hinreichend abgesichert werden. Aktuell zeigt das die Diskussion um die Rechtmäßigkeit des katalanischen Unabhängigkeitsreferendums. Liegt hier eine innerspanische, eine europäische oder eine globale Rechtsangelegenheit vor? Aus der Perspektive des im Januar 2017 verstorbenen Verfassungsrechtlers Roman Herzog („Europa neu erfinden – Vom Überstaat zur Bürgerdemokratie“, Siedler Verlag 2014) befinden wir Europäer uns in einer recht verworrenen juristischen Gemengelage. Diese erscheint als wenig hilfreich und als hochgradig problematisch. 

2. Die UN-Rechtsprinzipien fördern Klarheit, Gerechtigkeit und Problemlösungen
Zur Problembewältigung bietet sich die Orientierung an den Rechtsprinzipien der Vereinten Nationen an. Denn damit lässt sich in konstruktiver Weise auf die Herausforderungen der Globalisierung reagieren, zugunsten weltweiter friedlicher Zusammenarbeit und fairen Umgangs miteinander. Vorrangig dürfte sein, umgehend den Vernichtungswettbewerb zu beenden, der sich auf der wirtschaftspolitischen Ebene unter allen Staaten und Global-Player-Konzernen ergeben hat. Dieser gehört zu den Hauptverursachern des Klimawandels sowie auch der weltweiten Migrations- und Flüchtlingsbewegungen. Denn überall werden alle Ressourcen, auch das menschliche Leistungspotential, rücksichtslos ausgebeutet.

Dieser Wettbewerb lässt sich überwinden, indem sich Vertreter aller Staaten unter dem Dach der Vereinten Nationen zusammenfinden, um für gegenseitige Unterstützung bei der Lösung aller Probleme zu sorgen. Das kann auf eine höchst unbürokratische Weise gelingen, auch ohne Generalversammlungen und Entscheidungen des Sicherheitsrates. Gibt es eine dringlichere und wichtigere Aufgabe? Deutschland kann und sollte hier zu einem Vorreiter in der Welt werden.

Die globale Rechtsordnung der Vereinten Nationen scheint außerhalb der ehemaligen Commonwealth-Territorien noch weitgehend unbekannt zu sein. Sie hat gegenüber vielen ehemaligen nationalstaatlichen Rechtsordnungen enorme Vorteile: Sie ist unmittelbar einleuchtend. Sie erfordert lediglich das konsequente Befolgen einiger (Spiel-)Regeln, die konsequent einzuhalten sind, um für Fairness zu sorgen. Solche Regeln gibt es auch bei Gesellschaftsspielen wie „Mensch ärgere dich nicht“, im Straßenverkehr und in sportlichen Auseinandersetzungen (Keine Fouls, kein Doping!) beim Fußball oder bei den Olympischen Spielen. Diese Rechtsordnung ist darauf ausgerichtet, präventiv und nachhaltig für Sicherheit, Gesundheit und Wohlstand zu sorgen: Über sie lässt sich das Eintreten von Schädigungen bewusst minimieren und vermeiden.

Zum Download dieses Textes >>> hier klicken <<<